Rundbrief Mai

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Liebe Mitmenschen,

sehr geehrte Kund*innen, Lieferanten, Aktionär*innen, Förder*innen, Kapitalgeber*innen, Mitarbeiter*innen & Geschäftspartner*innen,

wir haben Mitte Mai eine der weitreichendsten Entscheidungen unserer über 30-jährigen Unternehmensgeschichte besiegelt: Wir haben unsere Unterschriften unter die Auftragsbestätigung für die neue Halle gesetzt.

Eine Kühlhalle von ca. 2.000 m2 mit einigen Büros und Sozialräumen, in der wir den Großhandel mit in der Region Saar-Pfalz-Hunsrück erzeugten Biolebensmitteln weiterentwickeln wollen. Wir tun dies mit der Überzeugung, dass die Themen regionale Wirtschaftskreisläufe, saisonale Ernährung und handwerkliche Erzeugung an Bedeutung gewinnen, denn die Vorteile einer derartigen Lebensmittelwirtschaft bezüglich der großen Probleme unserer Zeit werden für immer mehr Menschen sichtbar.

Wir hoffen, mit unserer Logistik und Handelstätigkeit, welche auf die oben genannten Themen und Ziele ausgerichtet ist, aber auch mit unserer langjährigen Erfahrung einen Beitrag zur Veränderung leisten zu können. Wir möchten erreichen, dass sich die Biolebensmittelwirtschaft in Zukunft wenigstens in Teilen nicht mehr allein am geringstmöglichen Preis für Endverbraucher orientiert, sondern an der umfassenden Betrachtung aller Themen, die mit Lebensmitteln, Ernährung und Landwirtschaft zusammenhängen. Ein weites Aufgabenfeld, das vor allem die jüngere Generation in unserem Unternehmen in Zukunft „beackern“ muss bzw. möchte. Schon die vergangenen 10 Jahre, in denen wir uns diesen Themen im Rahmen unseres Regionalgroßhandels angenähert haben, haben gezeigt, wie komplex und schwierig es ist, hier Grundlegendes zu verändern.

Über Jahrzehnte gewachsene Strukturen, Handlungsweisen, Überzeugungen, Ängste und Qualitätsansprüche sowie das Machtgefälle zu den milliardenschweren Lebensmittelkonzernen erweisen sich im Alltag als äußerst stabil und sind hohe Hürden, die erst überwunden werden müssen, bevor etwas Neues im Alltag greift und zur Selbstverständlichkeit reift.

Ich möchte einige Beispiele nennen.

  • Die kontinuierliche Verfügbarkeit fast aller Lebensmittel

Beschränkt man sich derzeit auf eine bestimmte Region, passiert es häufiger, dass Produkte kurzfristig nicht verfügbar sind, ein Problem, das sich nur langfristig durch konsequente Nachfrage nach regionaler Erzeugung und mehr Erzeugern innerhalb der Region lösen lässt.

  • Saisonal ausgerichtete Sortimente

Durch die jahrzehntelange Entwicklung globaler Lieferketten, die derzeit alle Produkte aus der ganzen Welt verfügbar machen, ist ein sicheres Gefühl für das Auf und Ab im Wechsel der Jahreszeiten mit ihrem üblichen Angebot an Gemüsen und Früchten bei Verbrauchern und Einzelhändlern zum Teil völlig verloren gegangen. Hohe Erwartungen an Verfügbarkeit, Qualität und Aussehen machen unsere Arbeit manchmal nicht gerade einfach.

  • Die Lagerung und Verfrühung des Obst- und Gemüseangebotes

Über Jahrzehnte wurde daran gearbeitet, das Risiko des Lagerns von Obst und Gemüse zu vermeiden. Ernten, verladen und möglichst schnell verkaufen war das Ziel, welches mit globalen Lieferketten auch erreicht wurde. Bei einer regional ausgerichteten Lieferkette ist diese Arbeitsweise über die Sommersaison (Mai bis November) natürlich auch gut umsetzbar und die Qualität der Produkte sehr gut. Im zeitigen Frühjahr (März und April) hingegen versuchen Höfe und Gartenbaubetriebe mit Verfrühungsfolie, Gewächshäusern und Folientunneln das Angebot der Wintersaison schnellstmöglich durch frisches Grün zu ergänzen. Die Qualität dieser frühen Erzeugnisse ist jedoch mangels Sonne nicht in jedem Jahr mit der Qualität aus dem Freilandanbau im Sommer vergleichbar und oft nicht so gut haltbar. Im Winter nutzen inzwischen wieder mehr Höfe die Möglichkeit moderner Kühlhäuser zur Lagerung von Obst und Gemüse, was wir sehr begrüßen. Allerdings geht die Lagerung vor allem Ausgangs des Winters (März, April, Mai) mit natürlichen Alterungsprozessen einher. Der Apfel, der nicht mehr so knackig ist, der Kohl, der kein grünes Umblatt mehr hat, die Kartoffeln, die schon etwas Wasser verloren haben und nicht mehr so fest sind: Jahrhunderte lang kannte man dieses Auf und Ab  von Qualität und Verfügbarkeit, vielleicht können wir das Leben damit auch wieder lernen und so das Einfliegen von frisch geernteten Produkten aus fernen Ländern etwas zurückdrängen.

  • Handwerklich erzeugte Lebensmittel ohne moderne Lebensmittelzusätze und ausgefeilte Lebensmitteltechnologie

Solche Lebensmittel, insbesondere Milchprodukte, Wurst und Backwaren, sind individuelle Erzeugnisse, deren Qualität von vielen Faktoren abhängt.

 

Im Mittelpunkt der handwerklichen Produktion steht dabei der fehlbare Mensch, der nicht jeden Tag die gleiche Aufmerksamkeit aufbringt, der mal krank wird oder im Urlaub ersetzt werden muss. Wenn wir wieder mehr Betriebe haben wollen, die auf handwerkliche Weise natürliche Produkte herstellen, dann müssen wir lernen, mit einer mehr oder weniger großen Schwankungsbreite bei der Qualität zu leben. Warum hat sich die industrielle Produktion so stark entwickelt? Sie hat sich so entwickelt, weil wir Lebensmittel wollen, die immer gleich sind, Lebensmittel, von denen wir genau wissen, was wir zu erwarten haben. Handwerker sind aber keine industriellen Maschinen.

Etwas mehr Gelassenheit und Toleranz im Umgang mit Lebensmitteln würde unseren Alltag im regionalen Handel, den wir gegen den gigantischen Strom einer milliardenschweren Lebensmittelwirtschaft zu organisieren versuchen, sehr erleichtern.

Ich weiß aber nur zu gut, wie schwierig das ist. Allzu oft ertappe ich mich selbst dabei, wenn ich mal wieder aus einem kleinen Fehler, einem eigentlich unwesentlichen Makel, ein „Riesending“ mache, anstatt in Ruhe zu überlegen, wie man damit umgehen kann.

In der letzten Zeit habe ich oft gedacht, dass es wohl vor allem von unseren spirituellen Fähigkeiten, Fähigkeiten wie einer größeren Gelassenheit und Fehlerfreundlichkeit abhängt, ob wir je zu einem nachhaltigen Wirtschaften finden.

Ob wir es schaffen, der Schöpfung zu vertrauen, ob wir lernen loszulassen, statt alles unter Kontrolle bringen zu wollen?

Wir für unseren Teil haben uns gerade entschieden, einfach weiterzugehen, im Vertrauen darauf, dass sich die Wahrheit letztlich Bahn bricht, das Leben größer ist als all unsere menschliche Vernunft.

In diesem Sinne danke ich all unseren Förder*innen, Kund*innen und Geldgeber*innen sowie unseren Lieferanten, die sich auf dieses Projekt eingelassen haben, schauen wir, ob wie gemeinsam das Gesicht der Welt verändern können. Es grüßt Sie ganz herzlich,

Ihr   Kornelius Burgdörfer-Bensel

und das ganze Team vom

Hof am Weiher und der

Öko-Marktgemeinschaft